Montage und Gedächtnisarbeit: zu Gerhard Richters Atlas
Das Projekt unternimmt im Rahmen einer Reflexion über "Bildgrenzen und Bildfolgen" eine Analyse und eine theoretische Befragung von Gerhard Richters Atlas, die vielfältige Sammlung von visuellem Material das der Künstler seit 1962 anhäuft und das heute aus mehr als sieben Hundert Tafeln besteht. Dieser visuelle Gegenstand gilt als Ausgangspunkt für eine Reflexion über Montage und Serialität als Verfahren der Sinnproduktion mit besonderem Hinweis auf ihre Wirksamkeit dem Betrachter gegenüber. Die frappante Heterogenität des Atlasses - der auch thematisch die verschiedensten Bereiche umfasst, von der Privatsphäre des Künstlers, zu historischen Ereignissen, Portraits, Landschaften - führte nämlich bei der kritischen Literatur zur Betonung der Dimension des Archivs, d.h. als eine Sammlung von visuellen Materialien, meistens Fotos, die zuweilen als "Bildvorlagen" Richters Gemälde gelten. Es gibt aber sowohl in den einzelnen Tafeln, als auch in jeder Ausstellungsanordnung, eine semiotische Produktivität der Zusammenstellung von Bildern, die als Montagetechnik gilt und besondere theoretische Implikationen dieses visuellen Objekts aufwirft. Damit stellt sich einerseits die Frage nach einer Genealogie seiner Assemblagetechnik - die nicht rein historisch sondern auch theoretisch ist - anderseits eine Reflexion über die Wirksamkeit der visuellen Montage, die die gesamte Betrachtungserfahrung als eine "Gedächtnisarbeit" kennzeichnen könnte. Diese hermeneutische Dimension ist reich an historischen Implikationen über die Doppelbindung zwischen Intimität und Geschichte und die komplexe Durcharbeitung des Gedächtnisses im Nachkriegsdeutschland. Insgesamt ist der Horizont einer solchen Forschung, jene Tradition der Bildtheorie die über die Spannung zwischen dem konkreten visuellen Objekt und den theoretischen Paradigmen in einem beständigen Hinundherfahren arbeitet, um das produktive "Denken" der Bilder selbst zu erklären.